
Metro Group Marathon Düsseldorf – 2017
Mitte/Ende Januar hatte ich mich ja dazu entschlossen spontan den Metro Group Marathon in Düsseldorf zu laufen. Gesagt, getan – das Training verlief mehr als optimal und nach dem letzten langen Lauf fing ich an von meiner Zielzeit zu träumen. Ich hatte zwar gesagt, dass ich ganz entspannt laufen wollte, aber nach DER Vorbereitung… nungut, träumen darf man ja.
Wer selbst (Marathon) läuft, weiß, dass ein Läufer im Idealfall drei Zielzeiten in der Tasche hat: eine, die er auf jeden Fall läuft, eine für die optimalsten Bedingungen und eine die im schlimmsten Fall auch noch ok ist. So hatte ich es auch vor – meine drei Zeiten standen und auf mein Zeitbändchen lies ich die 4:29 schreiben. Das war also meine Zeit, die ich locker schaffen sollte…
the day before…
Was zieh ich an? Welche Schuhe nehme ich mit? Ich denke, dieses Problem haben nicht nur Frauen. Mit einer vollgestopften großen Sporttasche und zwei paar Laufschuhe steht der Abreise nach Düsseldorf nichts mehr im Wege. Um kurz nach 14 Uhr sind wir auch schon bei der Startnummernausgabe. Mein erster Gedanke war, hoffentlich muss ich nicht so lange anstehen… Ja, ich musste gar nicht anstehen und war sofort dran. Hier war alles viel kleiner als in Frankfurt. Wenn man es direkt vergleicht war das ein Minimarathon und somit auch eine Ministartnummernausgabe. Ein paar kleinere Verkaufsstände und Marathonstände gab es ebenfalls. Aber nichts besonderes und so ging es gleich weiter zu unseren Freunden, die uns für die kommenden Tage beherbergten.
“… und alles klar für den Marathon?” “Bist du fit?” “Welche Zeit willst du laufen?” – Ja, es war alles fit und ich war startklar, eigentlich war ich richtig heiß auf den Marathon. Welche Zeit? Ach mal gucken wie es läuft. Und dann sagte ich doch etwas “… die 4:29 wären schon geil, vielleicht auch besser…” Und wenn so eine Zeit erst einmal ausgesprochen ist, geistert sie im Kopf rum und lässt einen nicht mehr los.
Ich versuche den restlichen Nachmittag und Abend zu entspannen und nicht zu sehr an den morgigen Tag zu denken. Die Männer machen Pläne wann sie mich wo absetzen, da die Stadt für Pkws gesperrt ist – ich such meine Sachen raus und anschließend gibt es noch lecker Pizza vom Grill. Halb 11 ist der Tag vorbei und ich bin ziemlich angspannt.
raceday…
Kurz vor 6 Uhr klingelt mein Wecker, kurz durchatmen, aufstehen, anziehen, kleines Frühstück. Während das Toasbrot im Toaster schmort checke ich das Wetter und den Wetterbericht. Brrrr… die Sonne scheint schonmal, aber es ist hundekalt. Zu Honigtoast gibt es Kamillentee – das ist schon ein kleines Ritual vor meinen Läufen. Viele Worte bringe ich nicht mehr raus, zu groß ist die Anspannung und der Respekt vor den bevorstehenden 42 Kilometern.
Mit der Bahn geht es nach Düsseldorf. An jeder Haltestelle steigen mehr und mehr Läufer ein, die Stimmung ist gut. Als es über den Rhein geht sieht man schon den Start und das Ziel – an der kommenden Haltestelle steigen alle aus. In einer riesigen Traube von Menschen geht es zum Startbereich, letzter Check der Bekleitung, alles unwichtige verstauen und dann die Tasche abgeben. Was gleich negativ bei allen Läufern ankommt sind die wenigen WCs – 6 Stück für alle. Juhu.
Was mir als Ortsunkundige auffällt: es gibt keine oder nicht sichtbare Ausschilderungen. Wo geht es bitte um Start? Ich laufe blind der Masse nach. Wird schon irgendwie passen. Aber auch im Startbereich ist alles etwas anders als in Frankfurt. Unsere Startnummern haben alle farbliche Markierungen, soll bedeuten, in welcher Zeit man seinen Marathon laufen will. Leider sind im Starbereich KEINE farblichen Kennzeichnungen. In welche Richtung laufen wir eigenlich? Mh… alles etwas verwirrend. Auch andere Läufer sind etwas orientierungslos. Kurze Nachfrage beim Ordnungspersonal und wir wissen bescheid. Einfach irgendwo hinstellen und warten bis es losgeht. Ja, da nimmt die Nervosität nochmal richtig ab… NICHT! Kurz nach 9 Uhr geht es endlich los.
… die ersten 10 Kilometer…
Ich ordne mich bei der 4:29 Pacegruppe ein. Alles läuft super. Es ist noch recht frisch, der Wind pfeifft und ich bin froh, dass ich doch etwas längeres anhabe. Da ich Düsseldorf nicht wirklich kenne, erkenne ich nur die Messe, aber auch nur, weil es dran steht 🙂 Kreuz und quer geht es durch die Stadt, die Stimmung an der Strecke ist gut und meine Beine locker. Da geht was. Ich merke, dass mir das Tempo der Gruppe zu langsam ist und ich ziehe etwas an. Die ersten 10 Kilometer laufen wie geschmiert – mit einer Zeit von 1:00:03 lasse ich diese hinter mir.
Es läuft richtig gut und irgendwann laufe ich auf die Pacegruppe mit der 4:15 auf. Ich entscheide mich also bei dieser Gruppe mitzulaufen, das wäre ein Traum, wenn das klappen würde. Das Tempo ist super, die Pacer klasse, ich fühle mich wohl. Auch wenn ich an den Trinkstationen kurz stoppen muss (ich kann halt nicht im laufen trinken) laufe ich jedes Mal wieder in die Gruppe und halte den Schritt. Den Halbmarathon laufe ich in 2:06:20 und bin mehr als zufrieden. Bei Kilometer 25 zieht mich eine kurze Pause auf dem stillen Örtchen aus dem Rennen, was der Anfang vom Ende war. Die 30 Kilometer lasse ich mit super 3:04:26 hinter mir.
… ab Kilometer 30…
Geht gar nichts mehr. Ich habe Magenschmerzen, Krämpfe und muss aufpassen alles bei mir zu behalten. Was bitteschön ist das??? Im nachhinein ist mir klar, dass ich viel zu viel getrunken habe. Die Flüssigkeit war zu viel für mich. Aber sorry, ich hatte einfach Megadurst. Ich versuche zu laufen, gehe zwischendurch und andersherum. Lustige Wadenkrämpfe und Bänderschmerzen an den Knien kommen hinzu und ich bin kurz davor zu heulen. Zum Glück habe ich eine Sonnenbrille auf, sodass dies wenigstens niemand sehen könnte. Ich bin so frustriert, aber eines steht fest: ich werde nicht aufgeben. Ich will ins Ziel.
Nach und nach verabschiede mich von allen Zeiten die ich mir gesetzt habe und krieche über die Straßen Düsseldorfs. So kommt es mir zumindest vor. Jede Kurve und jeder noch so kleine Anstieg nervt nur noch und ich frage mich, wie lang denn 12 Kilometer bitteschön sein können. Das sonnige Wetter wird durch einen richtigen Wind aufgefrischt. Mir kommt es vor, als würde ich gegen Windmühlen laufen.
… Kilometer 40…
Alles oder nichts. Nachdem aufgeben nicht mein Ding ist, ist es auch egal was auf den letzten 2 Kilometer passiert. Ich sehe die nächste Verpflegungsstation und will schon zum Wasser greifen und entscheide mich dann doch für Cola. Ich trinke sonst nie Cola. In dem Moment war es mir so egal. Rein mit dem Zeug und Abfahrt “nach Hause”.
Menschen stehen an den Absperrungen, juhu. Gleich ist es geschafft und meine Lieben warten am Ziel auf mich. Pustekuchen. Ach Düsseldorf, du hast halt hinter jeder Ecke eine Überraschung bereit. Runter an den Rhein geht es für uns Läufer. Aber hier sind keine Menschen die am Ziel warten und die Läufer anfeuern. Das Publikum steht ganz weit weg und man sucht vergeblich nach seinen Lieben. An den Rheinterrassen steht das Publikum, sprich eine Etage über dem Geschehen. Man sieht keinen, man hört keinen. Schade – passt aber zu meiner Stimmung.
Auch beim Zieleinlauf kann noch einiges schiefgehen. Wenn man hier nämlich nicht aufpasst und die Beschilderung übersieht läuft der Marathonie in den Staffelbereich und umgekehrt. Man bekommt zum Abschluss noch seine Finisher-Medallie umgehängt und eine Fotografin knipst ein Foto. Feierabend. Am Ende stehen 4:35:37 auf meiner Uhr. Meinen zweiten Marathon hatte ich mir ein bißchen anders vorgestellt.
… im Ziel…
Hier läuft ebenfalls alles etwas chaotisch ab. Keine wirkliche Ausschilderung, keine Umkleiden, wo um alles in der Welt trifft man seine Angehörigen?!
Vom Ziel bis hin zur Abgabe der Starterbeutel (sprich Klamottenabgabe) kam man sich vor wie im Hochsicherheitstrackt. Alle ist mit Absperrgittern versehen und man kommt weder rein, noch raus. Meine Lieben gratulieren mir durch die Absperrung hindurch und wir verabreden uns an einem Bierstand. Ich muss fix meine Sachen abholen, will meine Medallie gravieren lassen und was trinken. Die Gravur war flott gemacht, das war auch die einzige positive Überraschung. Umkleiden Fehlanzeige, zumindest hab ich keine gefunden und auch keine Ausschilderung dafür. Also einmal im Zelt vor anderen Finishern die Hüllen fallen lassen – aber das ist nach 42 Kilometern auch egal. Einige sehen happy aus, andere fix und alle, wieder andere werden von Sanitätern behandelt. Ich will nur noch raus, so frustriert bin ich.
the day after…
Fehleranalyse. Frust. Der Wille war da, das Fleisch war schwach.
Ich könnte hier jetzt schreiben, dass der nächste Tag super war und ich meine persönliche Enttäuschung über diese Zielzeit super weggesteckt habe. Aber dem ist nicht so. Was sind schon 6 Minuten auf 42 Kilometer, sagte meine Freundin. Das ist nichts. Für mich war es mehr als nichts, für mich war es ein Traum…
more days after…
Ich habe mir extra Zeit gelassen mit dem Schreiben dieses Beitrages. Jetzt, 2 Wochen nach Düsseldorf kann ich schon wieder lachen. Düsseldorf lief nicht optimal, aber auch solche Erfahrungen sind wichtig. Wichtig um stärker und besser zu werden. Was wäre das Leben, wenn immer alles optimal verlaufen würde?!
Der nächste Marathon kommt, Berlin lässt grüßen.